LSG Bayreuth verpasst Wiederaufstieg trotz Punktgleichheit
Segelfliegen. Aus der Traum vom direkten Wiederaufstieg: Die Bayreuther Segelflieger konnten am Wochenende zwar punktemäßig mit dem letzten Aufstiegsplatz von der 2. in die 1. Bundesliga gleichziehen, aber nicht mehr überholen. Ein fünfter Rundenplatz unter Aufbietung aller Reserven hilft nicht, da der direkte Konkurrent Stade auf Rundenplatz sechs folgt.
Ein wahres Auf und Ab war es für die Bayreuther Segelflieger am Wochenende nicht nur fliegerisch, sondern auch gefühlsmäßig. War der Samstag eigentlich fliegerisch enttäuschend, hätte der Aufstieg nach Punkten mit dem Ergebnis des Tages geklappt. Doch mit dem Kaltfrontdurchzug in der Nacht zum Sonntag wurden die Karten neu verteilt: Was das Wertungsportal zuvor bereits als „brandenburgisch-niedersächsisch-bayerisch-westfälisches Fernduell“ angekündigt hatte, lief nun an.
Die Ausgangslage vor dem Wochenende war klar: Vier Vereine der 2. Bundesliga (Oerlinghausen, Stade, Bayreuth und Berlin) kämpften um die letzten beiden Aufstiegsplätze. Die FG Oerlinghausen lag auf Platz sechs mit sechs Punkten Vorsprung auf Stade schon relativ sicher. Bayreuth lag einen Punkt hinter Stade auf Rang acht, gefolgt vom FCC-Berlin mit nochmals einem Punkt Abstand. Mitte der Woche sah es kurzzeitig so aus, als könne das Wetterpendel zu Gunsten Bayreuths ausschlagen, doch je konkreter die Prognosen für das Wochenende wurden, war klar: Samstag würde es bei viel Warmluft zwar im Süden besser als im Norden werden, aber eben nicht wirklich gut. Die Kaltfront in der Nacht zum Sonntag würde diese träge Luftmasse verdrängen und entscheidend wird, wo es wann aufhört zu regnen und wie sich auf der Rückseite der Kaltfront das Wetter entwickelt. Fernduelle sind im Segelflug durch den Alle-gegen-Alle-Modus und auch durch das Vorhandensein einer Weltliga mit transatlantischen, zeitverschobenen Fernduellen nichts ungewöhnliches, aber selten wird dieser Mechanismus so greifbar, wie in dieser Schlussrunde mit einem so knappen Aufstiegsrennen und mit solch einer Wetterveränderung, die das Wetter in Deutschland von West nach Ost über Nacht umkrempelte.
Teamkapitän Heiko Hertrich setzte alle Hebel in Bewegung, um die Mannschaft zu mobilisieren. Neben den hiesigen Fliegern aktivierte er auch die Außenposten in Rudolstadt und Aachen, so dass sich zu den vier genannten Regionen auch noch Thüringen und das Rheinland gesellten.
Bereits am Samstag probierte das Team die Chancen zu nutzen. Doch die Warmluft behinderte den Luftaustausch zwischen unten und oben – Thermik entstand eher zufällig und nur kurzzeitig. Somit hatten die angetretenen Piloten Mühe, oben zu bleiben. Heiko Hertrich war am Ende der einzige, dem ein gültiger Wertungsflug gelang. Bei seinem dritten Start gegen 16:30 Uhr konnte er sich oben halten und schließlich bis Kronach und von dort bis Creußen fliegen. 49,23 km/h bedeuteten das schließlich in der Wertung. Da Stade und Berlin, wie viele andere Vereine am Samstag keine Flüge zustande brachten, hätte dieser Mini-Streckenflug knapp über der Mindestwertung für den Aufstieg gereicht.
Doch Sonntag war absehbar der bessere Tag, zumindest in den anderen Gebieten. Somit fand von Bayreuth aus schließlich nur der Flug von Klaus Gruber Eingang in die Wertung. Über Lichtenfels kämpfte er sich bis an den Rand der Rhön vor. Zwischen den Gleichbergen und den Südausläufern des Thüringer Waldes einmal hin und her, ging es für ihn via Coburg zurück. Immerhin 94,46 km/h über die zweistündige Wertungszeit waren für die Verhältnisse sehr ordentlich.
Am Nordrand des Thüringer Waldes, in der Partnerstadt Rudolstadt, startete Johannes Baier, der zeitlich etwas früher den Thüringer Wald bis an seinen Westrand ausfliegen konnte. Zwischen Eisenach und dem Osten Hessens flog er noch ein zweites Mal hin und her, bevor es für ihn wieder zurück nach Rudolstadt ging. Mit 113,68 km/h war er schließlich der schnellste Bayreuther in dieser entscheidenden Runde.
Nachdem aus Bayreuth selbst niemand an diese Leistungen heran kam, kam es nun auf den verbleibenden Joker im Rheinland an. Waltraud Wilden, eigentlich langjähriger Sommergast am Bayreuther Flugplatz meldet in diesem Jahr ihre Flüge für die LSG. Von ihrem Heimatflugplatz Aachen aus ging es für sie zunächst nach Süden in die Eifel, um dann bei Daun scharf nach Osten Richtung Rhein abzubiegen und auf gleichem Weg zurück bis an die belgische Grenze zu fliegen. Der Flugweg glich einem auf dem Kopf stehenden T, das mit 101,29 km/h belohnt wurde.
309,43 km/h standen also als Summe der LSG in der Wertung der Schlussrunde. Oerlinghausen konnte schließlich mit einem dritten Rundenplatz mit 312,58 km/h den sechsten Platz verteidigen. Berlin kam nur auf 157,55 km/h und wurde 13. der Runde und blieb damit auf Tabellenplatz neun. Auch Stade konnte Bayreuth mit 265,26 km/h geschwindigkeitsmäßig nicht mehr einholen. Doch es gab am Ende keinen Verein, der sich zwischen die beiden schob: Bayreuth Rundenfünfter, Stade Rundensechster bedeutet, das beide Vereine mit 197 Punkten gleichauf liegen. Bei Punktgleichheit entscheidet die Geschwindigkeitssumme über die gesamte Saison. Stade: 3.887, Bayreuth: 3.812 – 76 km/h fehlten Bayreuth nach 19 Runden für die Rückkehr in die erste Liga. Alternativ hätten auch 3,08 km/h mehr in dieser Runde (für einen weiteren Punkt) gereicht, doch die waren bei der Wetterlage einfach nicht drin.
Im Gegenteil, der Rundensieg für den niedersächsischen AC Hodenhagen mit 343,49 km/h wirft eher die Frage auf, warum Stade rund 80 km/h langsamer als der Nachbarverein war. Doch wie unterschiedlich das Wetter auch in vermeintlich benachbarten Regionen sein kann, wissen die Bayreuther nur zu gut.
Insofern herzlichen Glückwunsch an Stade und Oerlinghausen!
So bitter der knappe Ausgang auf Bundesebene war, so sehr ist das Ergebnis im weltweiten Vergleich ein Lichtblick: Die LSG Bayreuth beendet die Saison nach einem neunzehnten Rundenplatz auf Weltliga-Rang 23 von 833. Das ist zwar auch von früheren Top-Ten-Platzierungen und den beiden Weltliga-Siegen 2015 und 2018 weit entfernt, aber immerhin die dreizehntbeste Leistung aus Deutschland. Nur neun der 30 Erstligisten waren besser als Bayreuth und selbst aus der zweiten Liga nur vier inklusive dem national hinter der LSG platzierten FCC Berlin. Die unterschiedlichen Platzierungen kommen zum einen aus Flügen im Ausland, die nur in der Weltliga zählen, und zum anderen aus der unterschiedlichen Punktezählweise zwischen Bundes- und Weltliga. Sportlich zeigt das aber durchaus, dass die Spitze der 2. Bundesliga nicht weit hinter den Besten der 1. Bundesliga zurück liegt, denn die beiden nationalen Ligen bestehen aus jeweils 30 Vereinen, von denen jeweils sieben auf- und absteigen.
In allen drei Ligen standen die Gesamtsieger schon seit mehreren Wochenenden fest: In der 2. Bundesliga siegt der FK Brandenburg mit am Ende 30 Punkten Vorsprung. Der Minden Soaring Club aus Nevada, USA macht mit einem letzten Rundensieg in der World League noch einmal deutlich, an wem auch die nächsten Jahre kein Weg vorbei führen wird. Die Geschwindigkeitssumme der Amerikaner über die Saison liegt bei sagenhaften 8.292 km/h, die zweitplatzierten Rintelner kommen auf rund 2.500 km/h oder 30% weniger (5.739 km/h). Auch erfreulich, dass sich neben Deutschen und US-Amerikanern auch Clubs aus Spanien, den Niederlanden und Österreich in den Top 20 finden, wo über viele Jahre nur die beiden Top-Segelflugnationen standen.
Rinteln darf sich dafür über den Meistertitel der 1. Segelflug-Bundesliga freuen, dem sechsten in Folge. Der letzte anders lautende Bundesliga-Meister (2018) hat seinen Heimatflugplatz am Bindlacher Berg…
Für die nordbayerischen Erstligisten ergab die Saison ein gemischtes Bild: Während das Segelflugzentrum Ottengrüner Heide aus Helmbrechts als Wiederaufsteiger mit Platz sieben die beste Wertung der Vereinsgeschichte erreicht hat, Schwandorf auf acht dahinter folgt und Bamberg mit Rang elf auch zufrieden sein kann, steigt die SFG Steinwald aus Erbendorf nach einer glanzlosen Saison als 30. ab. Im Mittelfeld stehen Hersbruck (15.) und Lichtenfels (17.), Weiden kann als 23. den Abstieg gerade noch so vermeiden.
Als Fazit der Saison bleibt für die Bayreuther also die Erkenntnis, dass sie auch nach dem Ruhestand vieler Meister-Piloten noch Potenzial haben und dass Nordbayern mit seinen Nachbarregionen auch bei den spürbar veränderten Wetterverhältnissen der letzten beiden Jahre noch zu den besten Segelflug-Regionen Deutschlands gehört. Mit drei Rundensiegen gab es echte Höhepunkte zu feiern, aber fünf Nullrunden machen bei allen Wetterwidrigkeiten auch deutlich, dass der eine fehlende Punkt während der Saison und nicht am Schluss verloren wurde. Die Aufholjagd der letzten fünf Wochen hob sich dagegen wohltuend von früheren Zeiten ab, waren doch die Sommerferien bislang immer ein Schwachpunkt der LSG. Auch dass der schon abgeschriebene Wiederaufstieg am Ende doch noch zum Greifen nah war, zeigt, dass man die Hoffnung auch in diesem Sport nicht aufgeben darf. Insofern bleibt für das Team nur: Aufstehen und im nächsten Jahr aufs Neue probieren.