Jung-Pilot der LSG Bayreuth schafft 1.004 km mit einem reinen Segelflugzeug
Segelfliegen. Frederik Köhne von der Luftsportgemeinschaft Bayreuth hat mit seinem Flug vom Dienstag erstmals die Marke von 1.000 im Segelflug geflogenen Kilometern zurück gelegt. Laut dem Streckenflugportal onlinecontest.org kam er auf 1.004 km.
Auch Köhne gehörte zu den Bayreuthern, die während der Deutschen Segelflug-Meisterschaften mit eigenen Leistungen zurück stecken mussten und als Helfer am Boden engagiert waren. Zu den Aufgaben des Mathematikers zählten u.a. das Wiegen ausgewählter Teilnehmer. Wie berichtet war er am Sonntag nach der DM bereits mit seinem Bundesliga-Flug als schnellster Bayreuther erfolgreich.
Für Dienstag kündigte sich ein thermikreicher Tag an, so dass er und sein Kamerad Sebastian Leber sich den Tag von anderen Terminen frei räumten und einen Flugbetrieb organisierten.
Köhne startete um kurz vor zehn im Flugzeugschlepp, Leber kurz nach zehn mit den beiden baugleichen vereinseigenen Flugzeugen vom Typ LS 8, einem Flugzeug der Standardklasse mit 15 m Spannweite. Zum Vergleich: Die größten Flugzeuge bei der DM hatten 31 m Spannweite, die kleinsten 18 m und ein entsprechend besseres Gleitvermögen.
Zunächst visierten sie das Erzgebirge an. Nach weniger als zwei Stunden Flugzeit an der deutsch-tschechischen Grenze nördlich von Chomutov entschieden sie sich zur ersten Wende. „Erzgebirge morgens war definitiv die richtige Entscheidung. Während es fast überall sonst noch blau oder nur schwach entwickelt war, konnte man hier schon richtig schnell fliegen“, meinte Köhne dazu.
Mit Rückenwind ging es über den Bayreuther Flugplatz hinweg bis Alladorf bei Hollfeld. Mit 137,75 km/h (Leber) bzw. 138,02 km/h (Köhne) war dies laut Wertungsportal der schnellste Flugabschnitt. Zu diesem Zeitpunkt war es gerade einmal 13 Uhr und es waren schon über 300 km geflogen. Ab hier müssen sie geahnt haben, dass die 1.000 realistisch erreichbar sind.
Von Alladorf aus flogen sie in einem 90°-Winkel weiter nach Nordwesten, die gesamte Länge des Thüringer Waldes hinauf. Gegen Viertel nach zwei passierten sie die Wartburg. Normalerweise ist das Ende des Gebirgszugs für die Segelflieger wie ein Prellbock: Die Topographie jenseits davon lässt weniger Thermikentstehung zu und das folgende Tal bildet häufig eine Zone, die von Abwinden geprägt ist und daher eher von den Segelfliegern gemieden wird.
Köhne und Leber flogen einfach weiter. Vorbei an Eschwege ging es entlang des Werratals bis Dransfeld westlich von Göttingen, also Niedersachsen. Da war es 14:50 Uhr. 215 km Luftlinie betrug zu diesem Zeitpunkt die Entfernung zum Heimatflugplatz, 519 km waren schon geflogen. Auch die Topographie weist an dieser Stelle eigentlich den Weg zurück nach Bayreuth, wieder entlang des Thüringer Waldes. Sie flogen daher erneut über Bayreuth hinweg bis Erbendorf, wo sie gegen 17:10 Uhr ankamen. Köhne wäre im Nachhinein gerne noch weiter nach Südosten geflogen, um etwas mehr Luft auf die 1.000-km-Marke zu haben.
Da das Wertungsportal die Entfernung in bis zu sechs Teilstrecken bemisst, hatten sie noch zwei frei. Genug für einen spätnachmittäglichen Sprint bis Suhl, das Köhne um 18:30 Uhr erreicht hat. Leber wendete hingegen schon bei Eisfeld und flog auf einem relativ direkten Kurs zurück nach Bayreuth. Mit 938,42 km wertet das Portal seinen Flug.
Köhne hingegen bleibt nach Suhl etwas westlich des eigentlichen Kurses nach Bayreuth, fliegt vorbei an Coburg und Lichtenfels auf Bamberg zu. Bei Scheßlitz nimmt er gegen halb acht nochmal einen relativ schwachen Aufwind an, um die nötige Höhe zu erreichen. Doch sein Bordcomputer meldet Bayreuth zu nah, Suhl – Bayreuth wären zusammen mit der vorherigen Strecke knapp unter 1.000 km gewesen. Weitere Teilstrecken wertet das System nicht, so blieb ihm nur den Endpunkt knapp hinter Bayreuth zu legen.
Von Scheßlitz aus fliegt Köhne daher im Gleitflug ohne weitere Aufwinde in der abendlich ruhigen Luft in den Süden der Stadt Bayreuth. Auf dem Höhenrücken zwischen Creußen und Speichersdorf meldet der Bordcomputer Vollzug – 1.000 km sind geschafft! Hier, abseits des Flugplatzes, legt das Wertungsportal schließlich auch den Endpunkt der Wertung. Der Heimweg erfolgt somit außerhalb der Wertung mit den letzten 700 m Höhe gegenüber dem Flugplatzniveau.
1.004,77 km stehen am Ende für Köhne in der Wertung. Der erste 1.000-km-Flug für den 26-jährigen und auch der erste 1.000-km-Flug ab Bayreuth in diesem Jahr. Dazu der weltweite Sieg in der Tageswertung des Onlinecontests für Dienstag. Leber belegt Platz vier.
Das eigentlich besondere an diesem Flug aber ist das Flugzeug: Die vereinseigene LS 8 mit dem Wettbewerbskennzeichen „BT“ verfügt über keinen Hilfsmotor. Während Alexander Müller und die meisten anderen zumindest die theoretische Möglichkeit haben, abends mit Motorhilfe heimzukommen, ist Köhnes Flugzeug ein reines Segelflugzeug. 1.000 km mit einem reinen Segelflugzeug hat ab Bayreuth bisher nur Friedhelm Lotte geschafft, damals mit einem Flugzeug vom Typ Ventus, das der 18-m-Klasse angehört und neben mehr Spannweite Wölbklappen zum Anpassen der Tragfläche an die jeweilige Flugsituation besitzt. Flugzeuge der Standardklasse wie die LS 8 haben das nicht. Und obwohl es für diese LS 8 Tragflächenenden für 18 m Spannweite gibt, hat Köhne die Flügelenden für 15 m Spannweite angesteckt, um mit Leber im Team fliegen zu können. Ein zweites 18-m-Flügelendenpaar besitzt der Verein nicht. Entsprechend hat Köhne immerhin in der Punktwertung einen niedrigeren Ausgleichswert für den Flugzeugtyp eintragen können, was sich zumindest in der Rangfolge der Tageswertung bemerkbar machte: Die Plätze zwei und drei waren zwar längere Flüge, jedoch mit besseren Flugzeugen, die entsprechend einen höheren Abschlag bei der Punktwertung in Kauf nehmen mussten. Somit verhalf Köhne das schlechtere Flugzeug zum fliegerisch völlig gerechtfertigten Tagessieg in der weltweiten Wertung.