21.08.2023
Dreimaliger Bundesliga-Meister muss nach 23 Jahren in die 2. Bundesliga
Segelfliegen. Nun hat es auch noch die Segelflieger getroffen: Die sonst so erfolgsverwöhnten Piloten der Luftsportgemeinschaft Bayreuth müssen nach einer vom Wetter verhagelten Saison 2023 nach 23 Jahren Erstklassigkeit den Gang in die zweite Liga antreten. Damit reiht sich der letzte verbleibende Erstligist der Stadt in die lange Liste der Absteiger 2023 ein: Nach den Basketballern von medi Bayreuth (ebenfalls von der 1. in die 2. Bundesliga), den Fußballern der Spielvereinigung (von der 3. Liga in die Regionalliga) und den Eishockey-Spielern der Bayreuth Tigers (von der DEL 2 in die Oberliga) ist nun auch der zwei Jahrzehnte lang erfolgreichste Sportverein der Stadt abgestiegen. Dabei sind die Segelflieger erst in der letzten Runde in die Abstiegsränge geraten.
Nach drei wetterbedingten Nullrunden machte das letzte Wochenende eigentlich wieder Hoffnung: Endlich wieder fliegen! Und der Vorsprung von sieben Punkten auf die Abstiegsränge schien auch nicht wirklich bedrohlich. Doch Teamkapitän Heiko Hertrich war schon früh klar, dass die hinter der LSG liegenden Vereine voll motiviert zu einem Rettungsversuch antreten würden.
Drei Vereine waren vor Beginn der Runde noch theoretisch in der Lage sich vor Bayreuth zu schieben: Der FCC-Berlin mit sieben Punkten Rückstand, der FSV Laichingen mit acht und die FLG Grabenstetten mit neun Punkten Rückstand auf die LSG Bayreuth, die bis Freitag den letzten Nicht-Abstiegsplatz belegte.
Am Bindlacher Berg machte sich dagegen erneut die dünne Personaldecke bemerkbar: Zwar war Hertrich selbst aus seinem Urlaub zurück, eine andere größere Gruppe an Piloten war aber am Freitag Richtung Frankreich in einen gemeinsamen Flieger-Urlaub aufgebrochen. Dazu kamen Probleme mit dem Schleppflugzeug, so dass Starts nur mit der Winde möglich waren.
Am Samstag, dem absehbar schlechteren Tag der Runde, ging letztlich nur Johannes Baier für die LSG in die Luft. Er startete jedoch an seinem Wohnort Rudolstadt. Doch auch dort hatte er angesichts der Warmluftlage Mühe in der Luft zu bleiben, flog kleinräumig am Nordrand des Thüringer Waldes eine Wertung von 56,12 km/h.
Bei Wetterlagen mit Einfluss von Warmluft sind die Temperaturdifferenzen nach oben geringer, dadurch entsteht weniger Austausch der Luftmassen von unten nach oben, also weniger Thermik. Die Segelflieger, wie auch die Vögel, müssen also mit viel geringeren Aufwinden zurecht kommen, um in der Luft zu bleiben. Sie müssen auch öfter und schwächere Aufwinde annehmen als bei Kaltluftwetterlagen und kommen dadurch langsamer vorwärts.
Sonntag war es dann auch in Bayreuth etwas besser und so gingen Heiko Hertrich mit seiner Frau Susanne als Co-Pilotin und Georg Baier an den Start. Hertrich flog über das Fichtelgebirge hinweg bis Bad Brambach, zurück bis Weidenberg und in einem Bogen über den Großen Kornberg ins tschechische Cheb, zurück ging es schließlich mit einem Schwenk über Mistelgau. Das reichte für genau 80,00 km/h. Baier kam auf einem ähnlichen Weg auf 72,19 km/h.
In Summe ergaben diese drei Flüge 208,31 km/h. Kein besonders berauschendes Ergebnis, doch angesichts der Warmluftlage war wohl nicht mehr drin. Genauso spannend war aber auch, wie sich die anderen Vereine in der Tabellennachbarschaft schlagen würden.
Der FCC-Berlin tauchte in der Wertung der letzten Runde gar nicht auf – Nullrunde für den direktesten Verfolger. Ein langjähriger Wegbegleiter der Bayreuther in der 1. Bundesliga war damit abgestiegen.
Aus Grabenstetten kam in Runde 19 ebenfalls kein Lebenszeichen, obwohl insgesamt 24 der 30 Erstliga-Vereine gültige Flüge ins Wertungsportal geladen haben.
Doch der FSV Laichingen, nur wenige Kilometer entfernt von Grabenstetten auf der Schwäbischen Alb gelegen, brachte am Sonntag drei Wertungen um 100 km/h ein. Kurzzeitig sah es in der Tabelle trotzdem so aus, dass dies knapp nicht reichen würde, um Bayreuth zu überholen. In der WhatsApp-Gruppe der LSG-Piloten brandete schon leichter Jubel auf, es doch noch geschafft zu haben. Doch nachdem alle Flüge eingereicht waren, ergab sich folgendes Abschlussbild der Runde 19: Laichingen wurde Rundensechster mit 15 Punkten, Bayreuth 15. mit 6 Punkten. In der Tabelle konnte Laichingen Bayreuth damit um einen Punkt schlagen. Bayreuth ist damit nach 23 Jahren Zugehörigkeit zur 1. Segelflug-Bundesliga und drei Meistertiteln (2002, 2015 und 2018) abgestiegen. Dass Tabellenführer Rinteln sich mit einem Rundensieg den Gesamtsieg und die Titelverteidigung sichern konnte, ist aus hiesiger Sicht nur noch eine Randnotiz.
Für die LSG geht damit eine fliegerisch ernüchternde Saison zu Ende: Der Saisonauftakt genauso verregnet wie der Juli, drei Nullrunden am Stück und während der besten Zeit, den Pfingstferien, die Ausrichtung der Deutschen Meisterschaften am eigenen Flugplatz und damit für die Bundesliga keine konkurrenzfähigen eigenen Flüge. Diese Kombination war einfach zu viel. Es ist schon ein Zeichen, dass von den 86 Zählern am Saisonende 39 den einzigen beiden Lichtblicken, dem Rundensieg in Runde 4 und dem zweiten Platz in Runde 10 zuzuschreiben waren. 45% der Punkte stammten also aus nur zwei der 19 Wochenenden. Dem gegenüber standen fünf Nullrunden, so viele wie noch nie, und viele schwache Wertungen mit nur einem oder wenig mehr Punkten, wo häufig schon die beiden Außenposten Johannes Baier in Rudolstadt und Klaus Gruber in Beilngries mithelfen mussten.
Somit kann alle Enttäuschung über das Wetter dieser Saison nicht darüber hinweg täuschen, dass das Team so nicht mehr konkurrenzfähig ist. Nimmt man die zehn Piloten, welche die LSG 2015 zum Meistertitel geführt haben als Ausgangspunkt, sind heute nur noch fünf von ihnen aktiv. Dabei bestand das 2015er-Team aus genau den Piloten, die das Bundesliga-Fliegen in Bayreuth von Beginn der Bundesliga in den Jahren 2001 und 2002 an kultiviert haben. Lediglich Alexander Müller und Wolfgang Clas waren 2010 und 2011 hinzugestoßen, beide schon zuvor renommierte Piloten, die ihre fliegerische Heimat wegen der sehr guten Lage Bayreuths zum Bindlacher Berg verlegt haben.
Beim erneuten Titelgewinn 2018 war schon klar, dass es so nicht mehr weitergehen würde: Heiko Hertrich, der für die Siegerehrung jedes Jahr viele Statistiken zur Bundesliga aufbereitet, hatte ermittelt, dass das Meisterteam schon damals das im Durchschnitt älteste Team der 1. Bundesliga war. Zudem war Teamkapitän Andreas Baier zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt. Trotzdem holte er 2018 mit einem unvergesslichen Husarenritt in der letzten Runde die Meisterschale quasi persönlich an den Bindlacher Berg. Doch mit seinem Tod, wenige Tage nach der letzten Runde 2019 (er saß schwer gezeichnet noch einmal als Co-Pilot seines Bruders Georg im Flieger) fehlte dem Team der Motivator, der im Zweifel auch mal drei Kameraden zusammen getrommelt hat, um bei schlechtem Wetter in eine andere Region zu fahren und dort zu starten. Diesen Aufwand hat die LSG seither nicht mehr betrieben und sich trotz einer geographisch nach wie vor herausragend guten Heimatbasis mit Platzierungen im Mittelfeld zufrieden gegeben.
Auch wenn es in den letzten Jahren gelungen ist, das Team mit Piloten wie Sebastian Leber und Frederik Köhne ein bisschen zu verjüngen (mit einem 18. Platz von 138 steht die LSG in der U25-Liga ungleich besser da als in der 1. Bundesliga), fehlte zuletzt die von Andreas Baier immer wieder gepredigte Kultur, an jedem Wochenende zumindest drei Flugzeuge in die Luft zu bekommen. Dass sich Alexander Müller nach dem verregneten Frühjahr und dem technischen Ausfall auf der DM ein fliegerisches Beinahe-Sabbatjahr gegönnt hat und die drei letzten Nullrunden in Heiko Hertrichs Urlaub fielen, zeigt, dass gerade das Bundesliga-Fliegen eben doch noch an den „alten Hasen“ hängt.
Dass der persönliche Urlaub von Sportlern auf Bundesliga-Niveau überhaupt ein Thema ist, hat natürlich auch damit zu tun, dass die Segelflieger, im Gegensatz zu den drei anderen Bayreuther Absteigern, das einzige Amateur-Team sind, das auf bundesweit und sogar international konkurrenzfähigem Niveau mitspielen konnte. Bundesliga zu fliegen ist eben kein Beruf wie bei den Profi-Fußballern, -Eishockeyspielern und -Basketballern, sondern es sind ganz normale Bayreuther, die mit ihren Familien zwar viel Zeit am Flugplatz und in der Luft verbringen, mit ihrem Hobby aber auch andere Interessen, Verpflichtungen und einen Beruf außerhalb des Sports vereinbaren müssen. Zum Teil sind die Teammitglieder auch noch Fluglehrer, von denen jeweils einer pro Tag sich um die Ausbildung der Flugschüler kümmern muss. Das trifft auf die anderen Vereine der 1. Segelflug-Bundesliga zwar ebenso zu, aber nach 23 Jahren ist im Bayreuther Bundesliga-Team, zumindest momentan, offenbar die Luft raus.
Wenn dann noch die gleichen Personen ein Groß-Event wie die (Einzelpiloten-) DM organisieren müssen, reicht es eben nicht mehr um alles auf gleich hohem Niveau bespielen zu können. Da die Alpenflieger aus Königsdorf ein Jahr aus formalen Gründen nicht teilnehmen durften, war die LSG ohnehin schon seit einiger Zeit das einzige Team der 1. Bundesliga, das von Anfang an durchgehend dabei war.
Was den Bayreuthern auch im kommenden Jahr bleiben wird, ist die Teilnahme an der Weltliga. Hier konnten Frederik Köhne mit 92,95 und Sebastian Leber mit 79,18 km/h zwei weitere Flüge aus Frankreich beisteuern, so dass das Rundenergebnis der World-League zusammen mit Hertrichs 80 km/h mit einer Summe von 252,13 km/h deutlich besser aussah. Für den 32. Rundenplatz gab es nochmal neun Punkte, so dass Bayreuth am Ende auf Rang 37 von 902 der World League steht. Der Minden Soaring Club aus Nevada (USA) holte sich mit 382,18 km/h den neunten Rundensieg in Folge und vierzehnten insgesamt. Der Titel für Minden war logischerweise schon länger sicher. Spannender war daher das Rennen um den Vize-Weltmeistertitel, den Bundesliga-Meister Rinteln mit einem zweiten Rundenplatz nach Deutschland holen konnte.
Da es eine funktionierende Weltliga nur im Segelfliegen gibt, bleibt die LSG trotz des Abstiegs auf nationaler Ebene der höchstklassigst spielende Sportverein der Stadt. Und aus der 2. Bundesliga heraus gibt es für die Bayreuther Piloten zudem eine ganz neue, noch nie da gewesene Herausforderung: Als Gründungsmitglied der 1. Bundesliga konnte die LSG bislang noch nie aufsteigen.