Wolken höher als man fliegen darf

10.07.2023

Segelflug-Bundesliga-Team vergrößert Abstand zu den Abstiegsplätzen

Segelfliegen. Das heiße Wetter machte viele Piloten vorsichtig: Am Samstag fanden sich am Bayreuther Flugplatz nur Heiko Hertrich und Frederik Köhne für Streckenflüge ein. Sie drückten dafür umso kräftiger auf die Tube. Am Sonntag konnte Klaus Gruber erneut von Beilngries aus das Bayreuther Bundesliga-Trio komplettieren. Der zwölfte Rundenplatz ist zwar weit entfernt von früheren Glanzleistungen, doch er vergrößert den Abstand zu den Abstiegsplätzen.

Neben dem heißen Wetter führten auch einige fliegerische Verhinderungen zu der geringen Beteiligung: Sebastian Leber und Georg Baier befinden sich auf einem Alpenfluglehrgang, Johannes Baier war an seinem anderen Flugplatz Rudolstadt in der Organisation einer Meisterschaft gebunden. Da noch einige weitere Piloten privat verhindert waren bzw. vor der Hitze großen Respekt hatten, blieben dieses Mal nur Hertrich und Köhne für größere Flüge übrig.

Auch sie ließen sich Zeit und warteten ab: Köhne startete um zwanzig nach zwölf, Hertrich erst um zehn vor eins. Wolken hatten sich bis dahin noch nicht gebildet, Thermik mussten die beiden anfangs im Blauen suchen.

Köhne machte sich direkt in Richtung Thüringer Wald auf: Von Bayreuth aus flog er bis zur Ohratalsperre, von dort nach Osten bis kurz vor die Bleilochtalsperre, um dann einmal mit Rückenwind den ganzen Thüringer Wald hinauf bis südlich von Eisenach zu fliegen. Auf dem Rückweg machte er an der thüringisch-bayerischen Landesgrenze bei Nordhalben noch einmal kehrt und nahm den Rückenwind bis kurz vor Schmalkalden mit. 113,35 km/h in den besten 2,5 Stunden standen für diesen Flug am Ende im Wertungsportal.

Hertrich wollte den Rückenwind nutzen, in dem er zunächst entgegen der Windrichtung bis zum Steinwald flog, um dann mit dem Rückenwind Richtung Thüringer Wald zu gehen. Seine erste Wende lag ebenfalls an der Ohratalsperre, „Dann waren die guten Wolken aus und vor mir breitete sich eine Schichtbewölkung aus, welche die Sonne abgeschirmt hat“ berichtete Hertrich. Wie auch bei Köhne hatte der schnelle Teil des Flugs allerdings zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen. Auch Hertrich flog zunächst bis kurz vor Nordhalben zurück und versuchte sich eine Strategie zu überlegen, wie er auf dem kurzen, guten Mittelabschnitt des Thüringer Waldes sinnvoll die vier Bundesliga-Teilstrecken unterbringen konnte.

Doch auf einmal wurden die Verhältnisse deutlich besser: Bis er wieder an der Ohratalsperre vorbei kam, waren die Thermik-Wolken auf deutlich über 3.000 m Höhe gestiegen. In 10.000 Fuß bzw. 3.000 m Höhe befindet sich die Grenze, ab welcher der Luftraum nur mit Freigaben der Flugsicherung genutzt werden darf. Von der Höhe her konnte Hertrich, wie auch Köhne daher die maximal erlaubte Höhe nutzen. Und auch die Stärke der Thermik wurde besser. Hertrich wendete kurz nach der Ohratalsperre und flog noch einmal bis in den Bereich Nordhalben zurück und mit Rückenwind ebenfalls bis kurz vor Schmalkalden. Die Aufwinde konnte er mittlerweile im Geradeausflug mitnehmen, ohne zeitraubendes Kreisfliegen. „Mehr Hebel an den Anschlag nach vorne geht nicht!“ kommentierte Hertrich im Wertungsportal, dass er auf diesem Abschnitt so schnell flog, wie es nur irgendwie möglich erschien. Zugleich musste er extrem aufpassen, da die guten Verhältnisse viele weitere Segelflugzeuge anzogen und somit starker Verkehr am Thüringer Wald herrschte. Er blieb dabei in Höhen zwischen 2.300 und 3.000 m, so dass er auch die Lücke zum Fichtelgebirge problemlos im Gleitflug überwinden konnte.

Wegen der Regel, dass am Ende der 2,5 Bundesliga-Stunden mindestens die Höhe vom Anfang des Zeitraums erreicht sein muss, erwies sich aber genau das als Problem. Um den schnellen Flugteil in die Wertung zu bekommen, musste er im Fichtelgebirge wieder auf die vorherige Höhe hochkommen, denn so tief war er 2,5 Stunden lang nicht mehr gewesen. So blieb ihm nichts anderes übrig als bei Bischofsgrün einen Aufwind klassisch wie auf einer Wendeltreppe mitzunehmen. 121,58 km/h standen am Ende des Tages dafür in der Wertung, 141,6 km/h vor Abzug für die Leistungsfähigkeit seines Flugzeugtyps. Das Wiederhochkommen im Fichtelgebirge hat ihm nach eigener Berechnung die 9 km/h zur Marke von 150 gekostet.

Ohne dritte Piloten hätte alles das nur wenig Punkte gegeben. Am Sonntag waren die Verhältnisse rund um Bayreuth jedoch schlechter: Hertrich kam mit einem Flug Richtung Erzgebirge nur auf eine Wertung von 102 km/h, doppelt hätte er aber eh nicht in der Wertung auftauchen können. Sascha Daut folgte Hertrich und erreichte schließlich 93 km/h. Auch die Bayreuther Teilnehmer am Alpenfluglehrgang konnten das nicht toppen.

Allerdings saß in der Mitte Bayerns Klaus Gruber an seinem anderen Flugplatz Beilngries, wo er mit dem dortigen Vereinsdoppelsitzer an den Start gehen konnte. Wie schon in der Vorwoche, war er es letztlich, der die Bayreuther Wertung vervollständigen konnte: An Weiden und Asch vorbei flog er in die Gegend von Klingenthal. Über tschechischem Staatsgebiet wendete er für einen Rückflug, der ihn wiederum über Asch, aber dann die Gebirgskette entlang bis Furth im Wald und von dort wieder heim nach Beilngries führte. Mit 101,66 km/h war er zwar geringfügig langsamer als Hertrich an dem Tag, aber da es für Gruber die erste Wertung des Wochenendes war, konnte sie gewertet werden.

336,60 km/h für die LSG Bayreuth bedeuteten den zwölften Rundenplatz in der 1. Bundesliga mit neun Punkten. Rundensieger wurde der LSV Schwarzwald mit 377,60 km/h, gefolgt vom LSV Straubing, der damit seine Tabellenführung weiter ausbauen konnte. Drei Flüge mit der Geschwindigkeit von Hertrichs Samstag-Flug hätten für Platz drei gereicht.

Zwar verliert die LSG Bayreuth sogar einen Tabellenplatz von 19 auf 20. Nach dem verkorksten Frühjahr ist es aber viel wichtiger, dass der Abstand zu den Abstiegsplätzen (ab 24) nun auf 21 Punkte anwächst (zuvor 14). Selbst ein Rundensieg des 24. brächte also noch keine akute Gefahr, denn das ergäbe nur 20 Punkte. 

In der Weltliga gibt ein 24. Rundenplatz noch 17 Punkte. In der internationalen Tabelle steht die LSG nun auf Rang 25 von 869. Rundensieger war erneut der Tabellenführer Minden Soaring Club aus Nevada / USA, gefolgt von der gesamten Spitze der deutschen 1. Bundesliga. Bei noch sechs ausstehenden Runden beträgt Mindens Vorsprung nun 139 Punkte auf Straubing, so dass in der Sierra Nevada möglicherweise in zwei Wochen schon die Sektkorken knallen könnten.